Im Kampf gegen chinesisches Billigparkett – FAZ-Artikel vom 01.06.2025

Die Parkettindustrie ist klein, aber sie wehrt sich heftig gegen Billigimporte aus China. Hohe Zölle sollen die Schwemme bremsen.

Michael Schmid staunte nicht schlecht, als er unlängst im Nordosten Chinas in der Stadt Dalian sah, wie chinesische Hersteller von Holzparkett arbeiten. Er ist schließlich selbst einer, allerdings vom Schwarzwaldrand, Mittelständler durch und durch. Sein Unternehmen Jaso, gelegen zwischen Offenburg und Freiburg, macht in guten Jahren etwas mehr als zehn Millionen Euro Umsatz. Allerdings sind gute Jahre selten geworden – was nicht nur, aber auch an den Chinesen liegt, deren Parkettindustrie überwiegend rund um Dalian konzentriert ist.
Schmid berichtet von großen, mehrgeschossigen Produktionsstätten, das Erdgeschoss voll mit modernen Maschinen. Den Betreibern gehörten weder die Gebäude noch der weitläufige Grund und Boden, die stelle der Staat zu Verfügung. Nur das Geschäftsmodell nennen sie ihr Eigen: billiges Parkett für Europa. Ebenfalls kaum vorstellbar für einen deutschen Unternehmer: Von vielen Produktionslinien, die dort installiert waren, standen einige still. Maschinenstillstand bedeutet hierzulande: brachliegende Sachinvestitionen, schlechte Auslastung und Planung, Geldverlust. Ein Horror für jeden Geschäftsführer.

Chinesischer Staat sorgt fĂĽr noch mehr Dumping-Parkett
In China sei das egal. Dort stelle der Staat alles für die Produktion Nötige im Überfluss zur Verfügung. Die Betreiber nutzen ohne finanzielles Risiko, was sie gerade brauchen. Was heute stillsteht, wird morgen womöglich ebenfalls angeworfen, dann käme noch mehr chinesisches Dumping-Parkett nach Europa und Deutschland als ohnehin schon. Und Unternehmer wie Michael Schmid müssen es ausbaden. Der Anteil von chinesischem Importparkett am deutschen Inlandsmarkt lag im Jahr 2010 noch knapp unter zehn Prozent, war also unauffällig. Seitdem stieg er Jahr für Jahr an, bis er 2022 satte 46,2 Prozent erreichte. Das waren 9,2 Millionen Quadratmeter Parkett – in etwa die Fläche des Tegernsees. Eine Rekordmenge.
Die üppigen staatlichen Subvention in China spiegeln sich in den Zahlen der deutschen Wettbewerber, die in den vergangenen Jahren ohnehin zu leiden hatten. Die knapp zwanzig Mitgliedsunternehmen im Verband der deutschen Parkettindustrie (VDP), deren Vorsitzender Schmid ist, verkauften 2024 rund 4,8 Millionen Quadratmeter Parkett und setzten 176 Millionen Euro um. Bei einem Umsatzrückgang um 4,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ist es nur ein geringer Trost, dass im vergangenen Jahr auch aus China weniger Parkett nach Deutschland kam, nämlich nur noch 6,8 Millionen Quadratmeter. Denn dessen Anteil am – weiter geschrumpften – deutschen Gesamtmarkt lag nun bei 51,6 Prozent. In der Branche war die Einschätzung mehrheitsfähig: Wir müssen uns wehren.

Zoll zur Selbstverteidigung
Und zwar mit einem Mittel, mit dem normalerweise nicht Nischenbranchen wedeln, sondern vor allem der amerikanische Präsident. Die Parketthersteller – wenige große wie Haro, Parador oder Hinterseer und deutlich mehr kleinere – wollen die staatlich gefütterten Konkurrenten mit einem satten Zoll bremsen und so deren Parkettschwemme Richtung Europa eindämmen. Wobei VDP-Vertreter Schmid versichert, dass es nicht die Methode Trump sei, die hier zur Anwendung komme, sondern ein geregeltes Verfahren. Anwälte beider Seiten stehen sich gerade gegenüber. Es ist ein kostspieliges Mittel der Selbstverteidigung, wie er zugibt, orchestriert vom europäischen Parkettverband. Aber es müsse nun mal sein.
Im Sommer nahm die Branche in dieser Angelegenheit Fahrt auf, bereitete eine Beschwerde in Brüssel vor und reichte diese im April 2024 förmlich ein. Daraufhin wurden die chinesischen Einfuhren von der EU genauer untersucht, um etwaige Antidumpingzölle vorzubereiten. Die Einschätzung der hiesigen Hersteller wurde offenbar geteilt, denn im Januar 2025 wurden vorläufige Antidumpingmaßnahmen für sogenanntes Mehrschichtparkett beschlossen – ein Zoll zwischen 42,3 und 49,2 Prozent. Das stelle den fairen Wettbewerb auf dem Parkettmarkt wieder her, sagt Schmid, denn bis dahin hätten chinesische Hersteller ihr Parkett zu Preisen auf den Markt geworfen, die erheblich unter den Herstellungskosten liegen. Diese Preisspanne solle ausgeglichen werden, nur darum gehe es.

Chinesische Hersteller bieten Parkett fĂĽr 25 Euro je Quadratmeter an
In Deutschland gelten 50 Euro je Quadratmeter Parkett als mittleres Preissegment, in Baumärkten finden sich auch Angebote um 30 Euro. Jaso, das Unternehmen von Michael Schmid, ist eine von wenigen Parkettmanufakturen in Deutschland, die nur an Handwerker verkaufen und in ihren Kleinaufträgen Abertausende von Varianten anbieten – abhängig von Holzart, Format, Oberfläche und weiteren Eigenschaften. Hier kommen, inklusive Verlegung, 100 Euro je Quadratmeter zusammen. Chinesische Billighersteller tummeln sich am anderen Ende der Nahrungskette, sie gehen mit 25 Euro je Quadratmeter ins Rennen, teilweise mit noch weniger. Es ist nicht so, dass der Branche in Deutschland solcher Druck von außerhalb unbekannt wäre. Nur kam er früher aus osteuropäischen Ländern, und er war nicht so extrem.
Zwar zeigen die Anfang des Jahres verhängten vorläufigen Antidumpingzölle Wirkung: Rund 190.000 Quadratmeter chinesisches Importparkett im Januar und nur noch etwas mehr als 60.000 Quadratmeter im Februar – das sind Zahlen, die weit entfernt sind von früheren Mengen. Allerdings bleiben Ungewissheiten. Die hiesigen Wettbewerber wissen zwar, dass Mitte Juli in Brüssel eine endgültige Entscheidung fallen wird, aber wie hoch der Strafzoll genau ausfällt, ist offen. Außerdem beobachtet die Branche aufmerksam, ob China Umgehungsmärkte nutzt, um seine Produkte in Europa zu platzieren. Dann kämen die Riesenmengen Parkett, die dort produziert werden oder auf Lager liegen, über andere asiatische Exportländer hierher.

Stammt das Holz aus Russland?
Das Herkunftsproblem bliebe so oder so bestehen: Die Branche kann zwar nicht beweisen, ist aber sehr sicher, dass sich massenhaft russisches Holz in chinesischem Parkett findet – ein Produkt also, das in Europa wegen des Angriffs auf die Ukraine sanktioniert ist. Allein die Lage von Dalian – diesem Zentrum der chinesischen Parkettindustrie mit jeder Menge Fabriken – spreche dafür. Die Stadt liegt im Nordosten des Landes, nahe der Grenze zu Nordkorea, von wo aus Russland leicht zu erreichen ist. Deutsche Unternehmen fragen sich ohnehin, wie es China schaffen will, die EU-Entwaldungsverordnung umzusetzen, die Ende des Jahres in Kraft tritt und für nachhaltige Lieferketten ohne Raubbau sorgen soll. Die Selbstbeschreibung des VDP-Vorsitzenden Schmid ist als eindeutiger Hinweis zu verstehen, die Betonung liegt auf dem ersten Wort: „Unser Parkett ist sauber.“
In dieser Atmosphäre des Misstrauens und der Selbstverteidigung dürfte es beruhigend sein, dass Gegenzölle keine Bedrohung sind. Denn deutsches Parkett in China ist angesichts des aktuellen Preisgefälles kein Thema. Schmid hat mit seinem Unternehmen Jaso zwar schon mal mehr als 20.000 Quadratmeter Parkett nach China geliefert, weil dort ein Hochhaus nach europäischen Standards ausgestattet wurde. Aber solche Geschäfte – es war das größte seines Unternehmens überhaupt – sind selten und werden nicht einkalkuliert. Allerdings: In einer Zeit, in der sogar deutsche Autohersteller oder Maschinenbauer die Qualität chinesischer Konkurrenzprodukte offen anerkennen, reden auch die Parketthersteller ihre Rivalen nicht klein: Chinesisches Parkett habe durchaus europäisches Niveau, heißt es – nur werde es zu Konditionen hergestellt, die mit fairem Wettbewerb nichts mehr zu tun hätten.


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